... und mein kleiner Kater Hugo liegt tot neben mir. Er war gerade mal 1 1/2 Jahre alt. Gestern Abend kam die Tierärztin zu uns nach Hause und hat ihn erlöst. Nun versuche ich der Tränen Herr zu werden und tippe hier Hugos Geschichte. Ich bin so dankbar, dass es dieses Forum gibt. Ein Ort, um die Trauer zuzulassen und sich von Gleichgesinnten umgeben zu fühlen.
Verdammt, warum tut das so weh, ein Tier gehen zu lassen? Hugo war doch "nur" 9 Monate bei mir, aber der Schmerz fühlt sich an, als wäre er schon immer hier.
Und dabei hatten wir einen so schwierigen Start: Übernommen hatte ich ihn in den ersten Januartagen diesen Jahres von einem Katzenhilfe-Verein. Es war ein junger Streuner, wahrscheinlich im Mai des vorigen Jahres geboren und brauchte ein neues zu Hause. Er war scheu. Richtig scheu. Keinen Umgang mit Menschen gewohnt und extrem mißtrauisch. Ich bin zwar erfahren im Zusammenleben mit Katzen, aber mit so viel aufzubringender Geduld meinerseits hatte ich nicht gerechnet: In den ersten Nächten wohnte er im Kleiderschrank. Jedes Plätzchen, jede Höhle, jeden Unterschlupf, den ich ihm mit Decken und anderen Sachen eingerichtet hatte, wurde ignoriert und er vergrub sich noch tiefer in den Schrank. Raus kam er nur in der Nacht, um zu futtern und brav aufs Katzenklo zu gehen.
Um überhaupt etwas von ihm mitzubekommen, habe ich eine Tierkamera installiert, die im Nachtsichtmodus verwackelte Schwarz-Weiß-Bilder lieferte. Ihr müsst euch das so vorstellen: Ich lieg im Bett, Licht ist aus ... nach ner halben Stunde hör ich’s rascheln im Schrank. Jetzt nur nicht bewegen oder ein Geräusch machen! Anfangs hab ich mich ja zu ihm gedreht und leise zu ihm gesprochen. No way! Weg war er. Da reicht schon ein Zucken mit dem Fuß. Also liegt das Handy schon unter der Bettdecke und nur von dort kann ich ihn via Internetbildern der Kamera beobachten. Da stromert er dann durchs Zimmer, frisst, geht aufs Katzenklo usw. Aber wehe, ich wackel mit dem Zeh oder im Haus gibts ein Geräusch. Weg isser! Mein Sohn sagte immer: "Da hättest du dir auch nen Tierfilm kaufen können."
Nun ja, ich blieb geduldig. Irgendwann erweiterte er seinen Aktionsradius und eroberte den Flur und das Bad. Logo, nur Nachts. Selbst das Futter blieb tagsüber unangetastet. Er fand dann ziemlich schnell sein Lieblingsversteck. Hinter der Waschmaschine. Damit war nun ein Rankommen an ihn erst recht unmöglich. Also wurde die Tierkamera umgesetzt und nun konnte ich ihn jede Nacht im Bad beobachten. Meine Wäsche hab ich bei Freunden gewaschen, um ihm diesen Rückzugsort nicht zu vermiesen.
Erst wenn ich im Bett lag, egal ob 20 oder 24 Uhr, traute er sich nach ca. 2o Minuten raus und war dann die halbe Nacht aktiv. Zumindest hatte ich früh dann um die 70 Nachrichten mit Filmchen via Mail. Spielmäuse wurden genüßlich zerfetzt. Mit dem Badteppich gekämpft. Handtücher zerknautscht. Pflanzen angefressen. (Ach ja, ich hatte alles, aber auch alles besorgt: Calm-Down Tabletten, Tropfen, Globulis, Pheromon-Spray, alle Sorten von Spielzeug, Raschel- und Fummelkisten gebaut ...). Auch ins Schlafzimmer wanderte er immer wieder, um mich nachts zu betrachten. Ich hatte sogar meine abendlichen Hörbücher nur mit ruhigen Frauenstimmen gewählt :-).
Nach 4 Wochen dann Premiere: Die Katzenkamera benachrichtigt mich auf Arbeit via Mail, dass tagsüber eine Bewegung aufgenommen wurde. Hurra! Er traut sich auch im Tageslicht raus! Life gesehen habe ich ihn aber noch immer nicht.
Endlose Stunden hocke ich in den kommende Wochen auf dem Fußboden vor der Waschmaschine. Ich lese ihm was vor, wir gucken auf dem Laptop zusammen Videos, ich schwinge immer wieder Katzenangeln und Federn. Dabei sehe ich ihn nach wie vor nur über die Kamera. Irre. Und dann, am 28.03. (nach knapp 3 Monaten!!) lässt er sich endlich von einer Spielmaus verführen und kommt hinter der Waschmaschine hervor. Erschrickt ganz fürchterlich, das am Ende der Spiele-Angel ein Mensch sitzt und verschwindet flott wieder. Ich weiß den Zeitpunkt so genau, weil ich ein Foto gemacht habe und stolz all meinen Katzenfreunden geschickt haben.
Irgendwie ist nun der Knoten geplatzt. Ab jetzt besucht er mich Abends auch im Wohnzimmer, wenn ich auf meinem Sessel liege. Schleicht herum, platt auf dem Boden - ihr kennt das. Die kleinste Bewegung verscheucht ihn wieder. Immer wenn ich seine Krallen auf dem Parkett höre, verhalte ich mich absolut still und erstarre. Gucke ihn nicht an, nur aus dem Augenwinkel, damit er in Ruhe alles entdecken kann. Versuche sogar, meinen großen Spiegel so an der Wand zu platzieren, dass ich ihn auch um die Ecke herum beobachten kann.
Zum Glück ist er verspielt und verfressen. Leckerli werfen ist super! Katzenangel funktioniert nun auch immer besser. Nur dass da ich am Ende bin, ist ihm noch nicht geheuer. Eine abendliche Spielestunde etabliert sich. Mitte April fängt er an, mich anzugucken und traut sich sitzenzubleiben, wenn ich den Raum betrete. Ich fange an, ihm das abendliche Trockenfutter aus der Hand zu füttern. Und siehe da, es klappt. Und knapp einen Monat später, darf ich ihn endlich anfassen. Logo, immer die Leckerbissen in der einen Hand und mit der andern Hand vorsichtig den Nacken kraulen. Leute, das hat ein halbes Jahr gedauert!
Ich muss immer wieder aufhören zu schreibe, weil ich so heulen muss. Eben rief eine Freundin an und ich spreche ganz leise, um ihn nicht zu stören. Er liegt tot neben mir.
Ab Juli geht es nun beständig aufwärts. Er wird zutraulich, kommt um die Ecke, wenn ich ihn rufe und guckt, ob ein Leckerli abfällt. Im August nun sitzt er nun endlich neben mir auf dem Sofa und fordert vehement seine täglichen Streicheleinheiten ein. Ich bin so glücklich. Endlich. Er rollt sich Abends zu einer kleinen Kugel neben mir zusammen und schnurrt leise. Der Beginn einer großen Freundschaft. Ich traue mich das erste Mal seit Januar für 5 Tage in den Urlaub und die Nachbarn füttern, auch wenn sie ihn nicht zu Gesicht bekommen. Er begrüßt mich freudig, als ich zurück bin und möchte im Bett neben mir schlafen.
Und dann wird er plötzlich krank. Er will nicht mehr spielen, frisst nicht mehr richtig. Will nur noch kuschelnd neben mir liegen. Ich mache freitags nach Arbeit einen Termin beim Tierarzt für den Montag, für heute wars schon zu spät. Am Samstag geht es ihm plötzlich so schlecht, dass ich nicht mehr bis Montag warten möchte und in die Tierklinik fahre. Er hat hohes Fieber, trinkt nicht mehr. Sie behalten ihn dort. Er bekommt Antibiotika und Flüssigkeit. Am Montag ruft mich die Ärztin aus der Tierklinik an: Der Allgemeinzustand hat sich noch mehr verschlechtert. Es sei wohl besser .... Die Diagnostik ist lässt FIP vermuten. Er ist noch so jung. Ich hole ihn am Montag nach Hause. Der Gedanke, ihn da allein n der Klinik zu lassen, umgeben von fremdem Menschen, Geräuschen, Gerüchen, das finde ich unerträglich. Auch wenn die Ärztin dort mir suggeriert, das es doch am besten wäre, ihn gleich zu erlösen.
Da lag er dann ermattet neben mir im Bett. Frisst nur mir zuliebe noch ein paar Brocken. Ich telefoniere mir die Finger wund, um alternative Behandlungsmöglichkeiten zu finden. Katzenfreunde versorgen mich mit allen möglichen Mitteln. Es geht ihm nicht gut. Er wankt durch die Wohnung, sieht nicht mehr richtig, ist verwirrt. Ich muss eine schwere Entscheidung treffen und schwanke zwischen Verzweiflung, Hoffnung und allen möglichen Gefühlen. Was soll ich nur tun. Das kann doch alles nicht wahr sein. Endlose Telefonate mit der Tierärztin. Endlose Recherche im Internet. Und immer liegt er ermattet neben mir. Dienstag ein weiterer Arzttermin. Die Nacht verbringt er zurückgezogen in seinem Körbchen. Ich traue mich fast nicht hin am Morgen. Einerseits wünsche ich mir, um die Entscheidung herumzukommen. Ihr wisst schon: Er geht einfach von selbst. Anderseits bin ich so heilfroh ihn am Leben zu sehen.
Und es geht im zusehends schlechter. Ich nehme kurzerhand einen weiteren Tag frei und verbringe ihn mit Hugo auf meinem Bett. Seine Pupillen sind riesig, er hat fürchterlichen Mundgeruch wegen der fehlenden Flüssigkeit und immer wieder legt er sein Köpfchen auf meine Hand und dämmert vor sich hin. Ich treffe die schwere Entscheidung.
Um 20:30 kommt die Tierärztin nach ihrem Dienst zu mir. Eine Freundin ist da. Wir begleiten ihn zusammen und ich lasse ihn los.
Ach Leute, ich sitze nun am nächsten Tag heulend im Bett. Hugo liegt neben mir und wir werden ihn am Nachmittag begraben. Die ganze Wohnung ist voller Katzenzeug und ich kann keinen Schritt gehen. Nur noch weinen. Ich gucke mir all die Fotos und Videos von ihm an und kann es nicht glauben.
So schwer.
Danke euch allen fürs Zuhören/lesen. Es tut gut.
Kata & Hugo.